Chronik des JG 27

Gliederung, Stellenbesetzung, Liegeplätze, Maschinen,


Juni - Dezember 1944
von der Normandie bis an die Reichsgrenze.


Invasionsfront, 10. Juni 44
Luftflotte 3, Frankreich
 
 
 

Stab JG 27,  Obst.    Rödel Champfleury Bf 109 G-10
I./JG 27,       Hptm. Sinner Vertus Bf 109 G-10
III./JG 27,    Hptm. Düllberg Connentre Bf 109 G-6
IV./JG 27,     Hptm. Meyer Champfleury Bf 109 G-10

 
 
Vom Ende der Luftschlacht um England bis zum Juni 44, hielten JG 2 und JG 26 über dem Kanal und Nordfrankreich einen erbitterten Kampf gegen die RAF durch, wobei sie trotz numerischer Unterlegenheit meistens die Oberhand behielten. 
Ihre Einsatzstärke betrug selten mehr als 240 Maschinen.
Doch wurden sie hervorragend geführt, flogen ständig die neusten Bf 109 und Fw 190 Typen,
und nutzten geschickt die "Heimvorteile", welche die RAF während der Schlacht um England  hatte. 
Im Krisenmonat Nov. 42 ( Stalingrad - Tunesien ),  mußten die beiden Geschwader dann aber mehrere Einheiten in die bedrohten Regionen abgeben. Ab Mitte Feb. 43 bis Ende Juni 43 wurde die I./ JG 27 als Unterstützung nach Frankreich verlegt.
Am 01. April 1944 waren von den 1 675 Bf 109 und Fw 190 der Luftwaffe,  850 zur Verteidigung des Reiches eingesetzt. In Nordfrankreich befanden sich nur 135 Jäger, um gegen eine erdrückende Übermacht der USAAF und RAF anzukämpfen.
Im Osten befanden sich an einer Front von 2 500 km Länge nur 520 dt. Jäger. Dort war die quantitative Unterlegenheit der Luftwaffe auf ein Verhältnis, von über, 1:25 angewachsen.
Zudem verfügten die Sowjets mit ihren Lawoschkin La-5 und La-7, Yakowlew Yak-9  und Yak-3,
über Jäger, die es mit den Bf 109 G und Focke Wulf Fw 190 A getrost aufnehmen konnten.


Auf deutscher Seite war man sich im klaren, daß der entscheidende Schlag im Westen bevorstand. 
"Irgendwo" an der Nordküste Frankreichs. 
Über das "Wann und Wo" wußte die Wehrmacht allerdings nicht Bescheid, 
so daß sie sich auf das Warten verlegen mußte.



Am Morgen des 06. Juni 44 schrillten in den Gefechtsständen die Fernsprecher:
 
 
  < Ab heute Früh, Dr. Gustav West ! >

Es verkündete die alliierte Landung in Frankreich. 
Das Unternehmen "Overlord".
Am Vorabend von D - Day verfügte Luftflotte 3 über 815 Einsatzmaschinen. 
Darunter waren jetzt 170 einsitzige Jäger.
Der krasse Unterschied zwischen den spärlichen Kräften der Luftwaffe, und der überwältigenden materiellen Übermacht der Alliierten läßt sich am besten an den folgenden Zahlen ablesen:
 
 

Am D - Day, flog die Luftwaffe 100 Jäger- 
und 175 Bombereinsätze. 
Die Alliierten insgesamt 14 674! 

Über den Landungsköpfen war die Luftwaffe so gut wie überhaupt nicht anzutreffen. 
Berühmt geworden ist hierbei Obstlt. Josef "Pips" Priller, Kommodore des  JG 26,
als er mit seinem Rottenflieger alleine über die Invasionsstrände jagte. 
Über Funk hörte man seinen sarkastischen Kommentar:
 

"Das ist der größte Augenblick in der Geschichte der Luftwaffe!"

 

Focke Wulf Fw 190 A-8, 
Stab/ JG 26 "Schlageter",
geflogen von Obstlt. "Pips" Priller, Normandie, 06. Juni 44

Aber in den folgenden Wochen sollte sich die Gegenwehr verhärten. 
Wurden doch nun alle verfügbaren Jagdgruppen nach Frankreich verlegt,
u.a. Stab /, I./, III./, und IV./ JG 27. 
Unter rücksichtsloser Entblößung der Reichsverteidigung sollte nun der Schwerpunkt der dt. Tagjagd im Westen liegen.  Im Reich selbst verblieben gerade vier aktive Tagjagdgruppen, schwache Zerstörerkräfte sowie die Einsatzstaffeln von vier Schulgeschwadern. Ausserdem die Verbände  der 
"Wilden Sau", (JG 300 und JG 301), die jetzt fast ausschließlich in der Tagjagd eingesetzt wurden. 
Sie sollten nun die Heimat verteidigen, wo vorher 20 Gruppen nicht ausreichten! 
Am 10. Juni lagen schließlich 475 Jäger, davon 290 einsatzbereit, in Frankreich, um die Gefahr im Westen zu bannen. Diese Kräfte brachten es an diesen Tag auf ganze 326 Einsätze. Das Kräfteverhältnis über dem Invasionsraum betrug 1 : 25 zum Nachteil der Luftwaffe!


Zehn Kilometer südlich von Reims bekam das JG 27 seine Plätze zugewiesen. Das Geschwader lag somit von allen Westverbänden am weitesten östlich der Landungszonen. 
Die Einsätze an der Invasionsfront verlaufen unter den denkbar ungünstigsten Voraussetzungen. 
Die Absprunghäfen lagen viel zuweit von dem Landungsraum entfernt. Gelang es dann angesichts der fast ständig über den Plätzen hängenden Jabos, überhaupt  wegzukommen, wurden die Jäger meist sofort in Luftkämpfe verwickelt. Trotzdem verlaufen die ersten Einsätze recht Erfolgreich.
Bis zum 12. Juni können 37 Thunderbolt, eine Mustang, drei B- 17 und eine Spitfire abgeschossen werden. Aber auch schon 9 Gefallene stehen zu Buche!
 
 

Republic P-47 D Thunderbolt,
352. FS, 353. FG.,
Suffolk, England, Juni 44

Ende Juni war die Luftüberlegenheit der Alliierten über der Normandie derart angewachsen und Erdrückend, dass der Luftwaffe einfach die Luft ausging.
 
 

North American P-51 D Mustang,
356. FS, 354. FG,
 Frankreich, Juni 44


Die gezeigten P-51 und P-47 tragen an Rumpf und  Tragflächen, die für die Invasion üblichen Streifen. Diese sollten zur besseren Kennung beitragen.

Mitte Juli verlegen die drei Gruppen dann an die Loire. Von hier flogen sie sehr verlustreiche Einsätze zur Unterstützung des Heeres bei St-Lô. Hier stand die US Armee kurz davor, die dt. Front zu durchbrechen. Die Infanterie- und Panzerdivisionen litten am meisten unter der Lufthoheit des Feindes. Bewegungen waren nur im Schutze der Dunkelheit möglich. Nur im direkten Kampfkontakt mit dem Gegner war das Heer von Angriffen aus der Luft sicher. 
Auch  das Heranführen von Nachschub gestaltete sich zum Problem. 
Die I./ JG 27 ist nach diesen Einsätzen derart dezimiert, daß sie Anfang August aus der Front heraus gezogen wird. Auch die IV. Gruppe war am Ende ihrer Kraft angelangt, und wurde ebenfalls nach Deutschland zurückverlegt. 
Die III./ JG 27 wurde zunächst dem JG 3, dann dem neueingetroffenen JG 77 unter Major Hackl unterstellt. 
Am 05. Sept. traf schließlich auch die III. Gruppe auf dem Flugplatz Bonn - Wahn ein.
Für das JG 27 war damit das Kapitel Invasion beendet. 
Aber was war von dem Geschwader übrig geblieben?
Die in aller Eile an die Invasionsfront geworfenen drei Gruppen des JG 27, hatten 87 Gefallene 
und 62 Verwundete zu beklagen, 200 Maschinen gingen verloren. 
Unter den Gefallenen waren so erfahrene Piloten wie der Staffelkapitän der 1./ JG 27,
 Lt. Grimm (vier 4-mot Abschüsse), Lt. Culemann (14 Abschüsse) der III. Gruppe , oder der Kommandeur der IV./ JG 27 Hptm. Otto Meyer ( 21 Luftsiege ). 
Solche Männer, mit Kampferfahrung und Vorbildfunktion, waren nicht zu ersetzen.
Dagegen erzielen die Gruppen 146 Abschüsse, darunter 86 P- 47 Thunderbolt. 
Zum ersten Mal in der Geschichte des Geschwaders übersteigen die eigenen Verluste die Zahl der errungenen Luftsiege.
Jetzt zeigten sich die verheerenden Auswirkungen, der völlig unzulänglichen Ausbildung des Nachwuchses. 
 



 
 
Vom Geschehen im Westen ausgeklammert, übernahm die II./ JG 27 ab Anfang Juli 44,
 von Fels am Wagram aus, den Schutz des Wiener Raumes. 
 
 

Die "Gelbe 2", eine Bf 109 G-6/AS,
 II./ JG 27, Fels am Wagram, August 44.
 Die Maschine wurde am 23. August bei St. Pölten abgeschossen,
hierbei ist der Pilot, Uffz. Zimmermann, gefallen.

Die Gruppe wurde ab den 13. März von Hptm. Keller geführt. Die Verluste von 42 Piloten von Juli bis Mitte Sept. 44 zeigt, daß auch die II. Gruppe harte Abwehrkämpfe durch zu stehen hatte. 
Der Abschuß von 15 Viermotorigen und 36 Jägern stand in keinem Verhältnis mehr zu diesen Verlusten.  Zwei Einträge aus dem Kriegstagebuch der II./ JG 27 aus dieser Zeit,  unterstreichen die geschilderten Ereignisse:
 

29.07.44: "Flugzeugführer 5 - 6 Wochen Geschwaderzugehörigkeit, Verluste grauenhaft".
12.09.44: "Gestern fielen Oblt. Eckrick und Lt. Torfner nach ihren ersten Feindflug. Insgesamt acht Verluste. 

Doch noch lag ein langer Weg vor dem Geschwader. Das "Große Sterben" hatte gerade erst begonnen.


Die Jagdverbände der Reichsverteidigung ließen nichts unversucht, um die Einflüge 
der "Dicken Autos*" zu Stoppen.
So wurde Ende 43 als Versuchsverband die Sturmstaffel 1 unter Maj. v. Kornatzki auf gestellt. 
Bisher wurden die  massiven Pulks der B-17 und Consolidated B-24 Liberator nach Möglichkeit in Gefechtsverbänden von mehren Jagdgruppen frontal angegriffen.
Bei diesen "Anflügen", mit einer Annährungsgeschwindigkeit von oft mehr als 800 Km/h, blieb den Piloten nur wenige Sekunden zum zielen und schießen. Nach dem ersten "Durchgang" sammelten sich die versprengten Maschinen, kehrten um, überholten den Pulk und der "Tanz" begann von neuen. Diese Taktik wurde gewählt, da die Abwehrbewaffnung der Bomber nach vorne am geringsten war. Beim direkten Durchflug, oder beim übersteigen, gerieten die Jäger aber dann ins Kreuzfeuer der Bordschützen. Jeder Bomber war mit 12 - 14 12,7 mm MG bestückt. Hinzu kam der Jagdschutz, dessen Auftrag darin bestand, die dt. Jäger von den Bombern abzudrängen und in Kämpfe zu verwickeln.
Die Taktik der Sturmstaffel 1, der später einige Sturmgruppen folgten, sah anders aus. 
In dichter Formation wurde der Pulk nun von hinten angeflogen. 
Die Piloten (nur Freiwillige) sollten mit ihren Focke Wulf Fw 190 A-6/R-2 (später A-7 u. A-8),
die speziell gepanzert und schwer Bewaffnet waren, direkt in das Abwehrfeuer der Viermotorigen fliegen und sie auf kürzeste Distanz mit ihren schweren Kanonen "erledigen". 
Notfalls sollte der Feind auch durch Rammen zum Absturz gebracht werden.
Gedeckt wurden sie von Jagdgruppen, die mit der Bf 109 ausgerüstet waren. Diese sollten die feindlichen Jäger beschäftigen.
Die Erfolge der Sturmjäger waren gut, aber der Preis den sie zahlen mußten war hoch. 
Die schwerfälligen "Sturmböcke" waren leichte Opfer der US-Jäger. 
Aber immer häufiger kam es vor, das die Jagdgruppen gar nicht mehr an die Bomberverbände heran kamen, sondern schon vorher vom US-Jagdschutz abgefangen und in Kämpfe verwickelt wurden.

*Dicke Autos = 4 mot Bomber


Reichsverteidigung*
Luftflotte Reich, Nov. 44
 
 
 

Stab JG 27 Bad Steinbeck Bf 109 G-14
I./JG 27,    Hptm. v. Eichel-Streiber Rheine Bf 109 K-4
II./JG 27,   Hptm. Keller Hopsten Bf 109 G-6, -14
III./JG 27,  Oblt. Clade Hesepe Bf 109 K-4
IV./JG 27,  Hptm. Dudeck Achmer Bf 109 G-10

 
Ende 44 hatten die Alliierten die absolute Lufthoheit über dem Reich. 
Die Jäger wurden selbst zu Gejagten. Über ihren Horsten hingen ständig "Indianer"** um sie schon in der Startphase zu bekämpfen.
Die Zahlenmäßige Unterlegenheit war angewachsen. Oft mußten sich 30 - 40 dt. Jäger mit
einer 15. fachen Übermacht herumschlagen.
Hinzu kam steigende Treibstoffknappheit, welche die Einsatzbereitschaft erheblich minderte. 
Es spielten sich groteske Szenen auf den Liegeplätzen ab. Moderne Jagdmaschinen,  wurden von Ochsen aus ihren Splitterboxen gezogen, um kostbaren Sprit zu sparen.
Die Ausrüstung war gut. Die neuen Bf 109 G-10, K-4, die Focke Wulf Fw 190 D-9, D-11
und Ta 152 waren in den Händen erfahrener Piloten hervorragende Kampfmaschinen.
Turbinenjäger wie die Messerschmitt Me 262, waren allem, was die Alliierten zu bieten hatten bei weitem überlegen.
 

Messerschmitt Me 262 A-1a,
Kommando Nowotny,
geflogen von Maj. Nowotny, Achmer, Nov. 44.

Aber die jungen Piloten, die 44/45 in den Einsatz "drängten", hatten meist nur vier bis fünf Wochen Kampferfahrung. Während ihrer kurzen Ausbildung wurde ihnen vor allem die Technik des Fliegens beigebracht, was zu lasten der Kampftaktik ging. Wenn die Piloten auch nicht mehr vom Kaliber wie die Jagdflieger von 1940 waren, so zeigten sie dennoch Kühnheit und Entschlossenheit beim Versuch, die Niederlage ihres Vaterlandes abzuwenden.



Mitte Okt. gruppierte sich das Geschwader in Sachsen. 
Strehla, Riesa, Canitz, Pomßen und Großenhain sind die Liegeplätze, von denen aus versucht wurde, über den mitteldeutschen Industriegebiet einen schützten Luftschirm zu legen. 
Das JG 27, seit langer Zeit wieder vereint, startete am 02.11. zu seinem ersten Großeinsatz in diesem Raum.
Dieser 02. November 1944 wird als der schwärzeste Tag in die Geschichte der Luftwaffe eingehen.
Sämtliche Gruppen des JG 27 befanden sich zu einen Abwehreinsatz  in der Luft. Mehrere starke Bomberverbände flogen in den Raum Leipzig ein und zogen noch andere Einheiten der Reichsverteidigung auf sich. Insgesamt 490 Jäger befanden sich im Einsatz.
Aber das JG 27 kam nicht mehr an die Viermotorigen heran. Urplötzlich war der Himmel voller Mustangs und Thunderbolts. Die Amerikaner griffen mit einer nie gesehenen Übermacht an und holten eine Messerschmitt nach der anderen herunter. Erbittert setzte sich das Geschwader zur Wehr, ganz erfolglos wollte man nicht untergehen. Bei der Landung fehlen 27 Flugzeugführer, 
11 wurden verwundet. Die Erfolge: 7 Mustangs.
An einem einzigen Tag verlor das JG 27 fast so viel Piloten, wie in den zwanzig Monaten auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz!
Auch die anderen beteiligten Einheiten hatten schwere Verluste. Insgesamt gingen 133 Jäger verloren, 73 Piloten waren gefallen, weitere 32 wurden verwundet. 
Die Tagjagdverbände hatten eine vernichtende Niederlage erlitten. 
Bei den Einflügen der nächsten Wochen trafen die Amerikaner auf eine nur noch geringe Jagdabwehr. Ursächlich dafür waren neben den empfindlichen Verlusten der dt. Jäger, vor allem der einschneidende Treibstoffmangel. 
Die Verbände der Reichsverteidigung waren gezwungen, eine grössere Einsatzpause einzulegen.
Nach diesen Einsätzen wurde dem Geschwader auch noch ein erheblicher Teil seines Bodenpersonals genommen und dem Heer überstellt. Als Ersatz trafen Luftwaffenhelferinnen ein.


Das JG 27 hatte 1944 anderthalbmal so viel Gefallene und Vermisste, wie in den Jahren davor zusammen. 

*Der Begriff „Reichsverteidigung“ soll nicht der Glorifizierung dienen! 
Vielmehr ist „die Reichsverteidigung“, die offizielle Bezeichnung, für die Verbände, die zum Schutze der Heimat aufgeboten wurden.

**Feindjäger



 
 
Die angezeigte Liste der Liegeplätze des Geschwaders ist nicht vollkommen!
Das JG 27 wechselte 1944 öfter seine Horste.
Das hier angegebene Verzeichnis will nur die wichtigsten Einsatzhäfen nennen.



 
Januar - Juni 44, "gegen vielfache Übermacht".
1945, die letzten hundert Tage. 
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